Vortrag und Gespräch:

Die Natur als Zeitgenossin

Können wir die Natur als Zeitgenossin verstehen? Können wir ihr auf Augenhöhe begegnen? Ist sie Göttin, Mutter, Prostituierte oder Fernbeziehung?

Der Künstler, Kunstvermitttler und Kunstpädagoge Martin Turner entscheidet sich klar für die Natur als Lehrmeisterin. Unsere Zeit hat verlernt, zu ihr aufzublicken. Die Degradierung zum Freizeitobjekt ist eher eine Herabwürdigung - auch unserer selbst, denn wir sind immer noch ein Teil von ihr. Wir können nicht auf sie blicken ohne den Blick auf uns selbst. Bei genügender Intensität der Wahrnehmung stellt sich die merkwürdige Erfahrung ein, dass wir unsere Fähigkeiten an der Natur ausbilden und schulen: die Unerschöflichkeit des Formen- und Farbenreichtums, die produktive Fähigkeit, aus dem je Vorhandenen das beste zu machen, neue und ungewöhnliche Strategien des (Über-)Lebens - und ein ganzheitlicher Blick auf Vernetzungszusammenhänge, die unsere gegenwärtigen Erkenntnisfixierungen weit übersteigen.

Eine Veranstaltung des Projektraums wundersam im kultur.lokal.fürth


Die Natur als Zeitgenossin – Martin Turner im Projektraum wundersam

 

Nach der Eröffnung am Samstag folgte am Sonntag, 30. Juli 2023, der erste Programmpunkt einer langen Reihe von Veranstaltungen im Projektraum wundersam im kultur.lokal.fürth. Der Nürnberger Künstler, Musiker und Kunstvermittler Martin Turner (www.martinturner.de) gab einen Einblick in sein zutiefst humanistisch geprägtes künstlerisches Denken und Schaffen und präsentierte aktuelle Arbeiten, u.a. Illustrationen in philosophischen und geisteswissenschaftlichen Publikationen sowie die Tuschezeichnung "Freiheitsblatt“, die als Reproduktion käuflich zu erwerben ist – zu einem bewusst frei gewählten, unschlagbar günstigen Preis.

 

In seinem lebendigen und anschaulichen Vortrag „Die Natur als Zeitgenossin“ präsentierte Martin Turner ausgewählte Texte aus mehreren Jahrhunderten zum Verhältnis von Mensch und Natur – von Petrarca und Augustinus über Giovanni Pico della Mirandola, Novalis und Goethe bis hin zu Rudolf Steiner und - für die neuere Zeit – Georg Picht und Gernot Böhme.


Mit seiner Textauswahl machte Martin Turner nachvollziehbar, wie der geistig veranlagte Mensch sich mehr und mehr zu einem frei denkenden und resonanzfähigen Wesen entwickelt, das sich von Dogmen befreit und seine Würde aus freier Entscheidung und in Resonanz mit der lebendigen Mitwelt gewinnt. Seinen Vortrag schloss Martin Turner mit einem kritischen Blick auf das digitale Zeitalter ab, in dem der Mensch sich in künstlichen Welten zu verlieren droht und nichts mehr wahrzunehmen scheint außerhalb der glatten Oberflächen digitaler Endgeräte. Fingerwischend entgleitet dem Menschen die Welt. Mit Verweis auf den Homunculus in Goethes Faust kann Goethe als ein Prophet der heutigen Zeit gelesen werden: Homunculus ist die reine Verkörperung des kristallinen Verstandes - er weiß alles, fühlt aber nichts. So wie die leuchtende Phiole des Homunculus am Triumphwagen der Liebesgöttin Galatee zerschellt, könnte es – so ist beinahe zu hoffen – auch einst der KI ergehen.

Abschließend würdigte Martin Turner das Projekt wundersam und die naturverbundene Sichtweise von Barbara Kastura als wertvolles Refugium und Resonanzraum für eine Würdigung und Bewahrung urmenschlicher Fähigkeiten und Potenziale. Den wenigen, aber umso aufmerksameren Gästen gab er eine Botschaft mit auf den Weg – sie könnten sich als Vertreter*innen von hunderten von Menschen verstehen, die diesen Abend sicher als Bereicherung empfunden hätten, aber anderweitig gebunden waren.


Am Ende des Abends wagten noch einige Jugendliche einen neugierigen Blick in den Projektraum wundersam. Barbara Kastura empfing sie herzlich und lud sie ein, schon bald wiederzukommen und sich einzulassen auf kreative, menschliche Begegnungen. Den Jugendlichen hat's gefallen, auch wenn hier kein Alkohol ausgeschenkt wird.

Beim Gießen nahmen die Pflanzen menschliche Perspektiven ein - so fühlt es sich an als Gast im Projektraum wundersam.